Digitale Pflegeanwendungen – die DiPAs kommen

Feb 19, 2021 | Finanzen, DiPA, Infografik, Pflegeberatung, Pflegepolitik, Pflegeversicherung, SGB XI | 0 Kommentare

Anmerkung vorab: Entgegen der Handhabung im Kabinettsentwurf nutze ich die Plural-S Regelung des Dudens zur leichteren Unterscheidung der weiblichen Abkürzung für die DiPA (Digitale Pflegeanwendung) im Singular oder die DiPAs (Digitale Pflegeanwendungen) im Plural.

Ab 1.1.2022 soll nach Willen von Gesundheitsminister Jens Spahn endlich auch die häusliche Pflege mit digitalen Technologien versorgt werden. Nach den DiGAs auf Arzt-Rezept folgen dann die DiPAs als SGB XI Leistungsanspruch für die Familien.

Nachdem im vergangenen Jahr die ersten DiGAs (Digitale Gesundheitsanwendungen) im Verzeichnis des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte aufgenommen wurden, sollen im kommenden Jahr Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) folgen.

Wofür DiPAs – die Zielsetzung?

Die Digitalen Pflegeanwendungen sind entweder Apps für mobile Geräte oder browserbasierte Anwendungen für den PC oder Laptop. Konkrete Nutzen-Szenarien und Rahmenbedingungen für Hersteller werden erst im Laufe des Jahres entwickelt.

Im Fokus: Organisatorische Entlastung durch digitale Unterstützung und Bewältigung pflegespezifischer Situationen

Was sollen die neuen DiPAs können, wie sollen sie die Familien digital unterstützen?

„Neben Anwendungen zur Organisation und Bewältigung des pflegerischen Alltags unterfallen dem neuen Leistungsanspruch auch Produkte, die zur Bewältigung besonderer pflegerischer Situationen, etwa im Bereich der Erhaltung der Mobilität oder bei Demenz, eingesetzt werden können.“ *1

Mit dieser Erklärung definiert das Bundesgesundheitsministerium das Anwendungsspektrum seiner zentralen Digitalreform für die Pflege im Kabinettsbeschluss, der am 21. Januar vom Bundeskabinett verabschiedet wurde.

In der grundlegenden Begründung zum kompletten DVPMG-Gesetz (steht für „Digitale–Versorgung–und–Pflege–Modernisierungs–Gesetz“) und der Kommunikation von Bundesgesundheitsmister Jens Spahn wird ebenfalls unterstrichen, dass mit den DiPAs eine duale Zielsetzung verfolgt wird:

• „Digitale Anwendungen können Pflegebedürftige begleiten und einen Beitrag dazu leisten, dass diese ihren Pflegealltag auch in der Interaktion mit Angehörigen und ambulanten Pflegediensten besser organisieren und bewältigen können.“ *3

• „Sie können von den Pflegebedürftigen genutzt werden, um den eigenen Gesundheitszustand durch Übungen und Trainings zu stabilisieren oder zu verbessern (z.B. Sturzrisikoprävention, personalisierte Gedächtnisspiele für Menschen mit Demenz, Versorgung von Menschen mit Dekubitus) oder die Kommunikation mit Angehörigen und Pflegefachkräften zu verbessern.“*4

Im Prinzip verfolgt das BMG bei den DiPAs die gleiche Struktur wie bei den DiGAs. Hier werden für die Anerkennung als Digitale Gesundheitsanwendung ein „positiver Versorgungseffekt entweder aus dem Bereich des medizinischen Nutzens oder aus dem Bereich der patientenrelevanten Verfahrens- und Strukturverbesserungen“ verlangt.



Der medizinische Nutzen entspricht dann bei den DiPAs der positive „pflegerische Nutzen“ und die patientenrelevanten Verfahrens- und Strukturverbesserungen wird dann über die Erleichterungen und Verbesserungen bei der „Organisation und  Bewältigung des pflegerischen Alltags“ zu definieren sein, so meine Einschätzung.

Der Konkretisierung der Vorgaben für die Inhaltskategorien wird noch festgelegt. Hierzu wird das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt, die entsprechenden Definitionen durch eine Rechtsverordnung zu regeln, die nicht mehr der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.

Sorgende und Pflegende Angehörige explizit als DiPA-Zielgruppe benannt

Besonders erfreulich ist, welchen hohen Stellenwert der Gesetzgeber den über 5 Mio. Sorgenden und Pflegenden Angehörigen bei der Konzeption des neuen digitalen Leistungsanspruchs eingeräumt hat. Insbesondere ihre hohe Belastung und Verantwortung bei der Organisation und Administration der häuslichen Pflege wird zukünftig Rechnung getragen:

„Erfasst von dem Leistungsanspruch werden auch solche Anwendungen, die schwerpunktmäßig von pflegenden Angehörigen zugunsten des Pflegebedürftigen verwendet werden sollen.“*2

Mögliche DiPA-Kategorien und Anwendungsbeispiele

Aufgrund meiner subjektiven Interpretation der bisher verfügbaren Informationen (Kabinettsvorlage, BMG-Presse-Veröffentlichungen) könnten beispielsweise diese vier Oberkategorien gebildet werden:

  1. Betreuung/Begleitung/Kommunikation
  2. Organisation/Administration
  3. Körpernahe Themen
  4. Kognitive Themen

In der Infografik sind exemplarisch folgende „Digitale Pflegeanwendungen“ aufgeführt, ohne das dies vorwegnehmen soll, ob die Hersteller eine Aufnahme in ein DiPA-Verzeichnis überhaupt anstreben. Die Beispiele sollen lediglich eine erste Orientierungshilfe darstellen. Gern nehme ich Anregungen für weitere Beispiele auf.

DiPA Anwendungsbeispiele

Wie aus dem Kabinettsentwurf abzuleiten ist, sollen die DiPAs zukünftig direkt oder indirekt drei Nutzergruppen ansprechen und idealerweise die Kommunikation miteinander vernetzten, wenn es von der Anwendung her sinnvoll erscheint. Dies sind die Pflegebedürftigen selber, deren SPA und ambulante Pflegedienste. Aus meiner Sicht sind hier zwei wesentliche Gruppen/Bereiche vergessen:

Gerade unter dem Aspekt der Begleitung und Unterstützung bei der Anwendung der Digitalen Pflegeanwendungen (hierfür wird extra ein neuer Paragraf §39b SGB XI eingeführt, auf den ich weiter unten noch eingehe) müssen ALLE Pflegeberaterinnen und Pflegeberater, die ein vertrauensvolles Verhältnis und fundiertes Wissen über die Bedürfnisse und Kompetenzen in der Familie besitzen, mit einbezogen werden.

Und zweitens sollte auch im Gedanke eines Abbaus der Sektorengrenzen die Betroffenen und ihre Familien in der stationären Versorgung mit einbezogen werden. Welchen Sinn stiftet es, Digitale Pflegeanwendungen (DiPAs), die sich in der häuslichen Pflege bestens bewährt haben, auf einmal nicht mehr zur Verfügung zu stellen, nur weil sich der Schlafplatz des Betroffenen durch Umzug in ein Pflegeheim geändert hat?

Erläuterungen zu den DiPAs-Beispiel-Anwendungen

Die in der Infografik aufgezeigten Anwendungen werden nachfolgend kurz erläutert. Besondere Anforderungen an die Hersteller und/oder den Gesetzgeber werden aufgezeigt. Für alle Anwendungen werden Links für weitergehende Informationen dokumentiert: 

Kategorie 1: Betreuung / Begleitung / Kommunikation

1. Emma

Emma unterstützt in den eigenen vier Wänden. Emma Home bindet sich perfekt in den Betreuungshaushalt ein. Über Sprache, als auch über visuelle Signale tritt Emma mit der zu betreuenden Person in Kontakt. Die ältere Person kann über Sprache und per Knopfdruck mit Emma kommunizieren. „Emma – Wie kann ich Ihnen helfen?“.

Der Funktionsumfang der Anwendung aus Österreich ist breit gefächert und integriert auch die SPA. An diesem Beispiel wird ein grundlegendes Erfordernis deutlich: Viele nützliche Anwendungen bedürfen einer Hardware-Komponente (hier eine Applikation für die Spracherkennung).

Entweder müssen solche Konzepte individuelle Zuzahlungsmodule seitens des BMG erlauben oder Preismodelle mit inkludierter Hardware-Miete müssten in der Verordnung erlaubt sein.

Mehr zum aktuellen Angebot hier: https://www.emma-hilft.com/emma-home/

2. Myo

Auch myo passt trotz des sehr nützlichen Konzeptes (noch) nicht perfekt in die DiPA-Strategie des Bundesgesundheitsministeriums.
Die Mission lautet: Wir unterstützen Akteure im Sozialwesen und Familien von Hilfsbedürftigen dabei digital, direkt und datenschutzkonform zu kommunizieren und eine persönliche, auf Vertrauen basierende Beziehung aufzubauen.

Das Problem: myo ist bisher auf die Bewohner stationärer Einrichtungen ausgerichtet. Entweder muss deren Konzept in Richtung ambulante Versorgung erweitert werden, oder das BMG öffnet die DiPA-Versorgung auch auf die Menschen in stationären Einrichtungen. Oder beides 😉

Mehr zum aktuellen Angebot hier: https://myo.de/

3. Telepflegezentrale

Heute ist die Telepflegezentrale eine sich etablierende Kommunikations- und Informationsplattform im b-to-b Bereich. Mitarbeiter von Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen kommunizieren digital mit dem Team der Telepflege.

Wir können uns das Angebot sehr gut als Unterstützung für SPA vorstellen, die medizinische und fachpflegerische Konsultation bei Bedarf in Anspruch nehmen können.
Neben einem fixen Bereitschaftsfee könnte die DiPA tatsächliche Nutzungseinheiten abrechnen.

Mehr zum aktuellen Angebot hier: https://telepflegezentrale.de/

 

4. Café / Kneipe Beisammensein

Das Projekt wurde vor einem Jahr zu Beginn der Corona-Krise spontan ins Leben gerufen. Die beginnende Vereinsamung der SPA durch Isolation und Schließung aller Unterstützungseinrichtungen wurde ein kommunikatives Ventil durch die Idee eins täglichen „Café Beisammenseins“ geschaffen.
Per Zoom fanden jeden Abend 20 und mehr Sorgende und Pflegende Angehörige zusammen und tauschten sich über ihre Sorgen und Nöte, aber auch freudigen Erlebnisse aus.
Das Projekt lebt fröhlich und erfolgreich seit über einem Jahr fort. Im Kern erreicht das Projekt die Mitglieder der Facebook-Gruppe „Pflegende Angehörige“ und ihre umsorgten Familienmitglieder.

Im Jahr 2022 soll es weiter ausgebaut werden und auch Menschen bundesweit außerhalb der Facebook-Community erreichen. Hierzu wird vom Verein Pflegende Angehörige e.V. eine Digitale Pflegeanwendung entwickelt, die Vernetzung und die Finanzierung für den Aufbau und den Betrieb vieler lokaler und regionaler Café / Kneipe Beisammensein ermöglicht.

Mehr zum aktuellen Angebot hier: https://pflegende-angehoerige-ev.de/Aktuell.html

 

Kategorie 2: Organisation / Administration / Information

5. nui

„Nui ist eine bahnbrechende künstliche Intelligenz, die besonderen Wert auf die Privatsphäre legt. Wir haben Nui mit viel Wissen der besten Experten aus der Pflege gefüttert. Nui erklärt Dir, wie man einen Pflegealltag organisiert, Nui kennt sich einfach aus. Und Nui ist immer an Deiner Seite. Jederzeit.“ Quelle Nui.

Bisher war die App für 9,99 im Monat direkt im Store zu buchen. Zwischenzeitlich ist das Geschäftsmodell geändert und Arbeitgeber oder Partner aus der Versicherungswirtschaft übernehmen die Kosten – könnte ein Vorläufermodell der DiPA sein.

Mehr zum aktuellen Angebot hier: https://nui.care/

6. meinPAUL

meinPAUL kann über einen Internetbrowser auf eigener Hardware – Laptop, Tablet oder Smartphone – genutzt werden oder über die CIBEK PAUL App, welche in Ihrem App Store zum Download erhältlich ist. Die App enthält wichtige Funktionen von PAUL, insbesondere zur Kommunikation und sozialen Teilhabe.
Sichere Videokommunikation, Arzttelefonie, Videotelefonie mit anderen Nutzern, sowie eine schnelle Informationsverteilung im Quartier sind zentraler Bestandteil der App.

Das Multitalent ist sicherlich ein DiPA-Kandidat, der insbesondere den Pflegebedürftigen tolle digitale Unterstützung bieten kann.

Mehr zum aktuellen Angebot hier: https://cibek.de/meinpaul/

7. lidaa

lidaa ist eine digitale Informationsplattform, die auch einen Web-Gesprächskreis, Online-Seminare und Systemische Pflegeberatung anbietet. Experten mit langjähriger Erfahrung beraten am Telefon oder per Video. Mit lidaa ist eine digitale Informationsplattform umgesetzt worden, die ganz gezielt die sorgenden & pflegenden Angehörigen anspricht und auch für Pflegeberater*innen wertvolles Wissen und hilfreiche Anregungen zur Verfügung stellt.
Die kostenpflichtige Premiumvariante kostet 35 Euro im Monat und könnte als DiPA insbesondere SPA unterstützen.

Mehr zum aktuellen Angebot hier: https://lidaa.de/

8. Pflege-Dschungel COCKPIT

Das Pflege-Dschungel COCKPIT ist eine innovative Digitale Pflegeanwendung (DiPA) für die Familien mit pflegebedürftigen Mitgliedern. Es unterstützt die mit der Organisation und Administration der Pflegesituation beschäftigten Menschen bei ihrer Sorgearbeit.

Die drei Kernfunktionen bilden der Pflegegradrechner, der Pflegebudget-Optimierer und der Antrags-Generator. Mit ihnen sollen die Familien sich

  • leichter über den Grad der Pflegebedürftigkeit orientieren,
  • leichter den möglichen Einsatz der finanziellen Unterstützung optimieren und
  • leichter bei den bürokratischen Aufgaben organisieren.

Ergänzend werden sukzessiv, qualifizierte lokale und überregionale Dienstleister ins COCKPIT intelligent integriert. Ziel ist es, den Organisationsaufwand der Familien damit weiter substanziell zu reduzieren.

Für wen ist das COCKPIT gedacht?
Sowohl die pflegebedürftige Person, die hierzu kognitiv und physisch noch in der Lage ist, als auch die Sorgenden und Pflegenden Angehörigen (SPA) sind die Adressaten der aktuellen Version des Pflege-Dschungel COCKPITS.

Bis zum offiziellen Start der DiPA wird den Pflegeberater/innen und Case-Manager/innen ein eigenen COCKPIT zur Verfügung gestellt.
Eine vernetzte Zusammenarbeit mit den Familien ist dann möglich.

Neben der kostenlosen Basisvariante ist ein Abonnement für monatlich 4,99 Euro mit weitreichenden Funktionalitäten verfügbar. Das COCKPIT wird sich für die Aufnahme im Verzeichnis des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bewerben.

Mehr zum aktuellen Angebot hier: https://pflege-dschungel.de/cockpit/

 

Kategorie 3 : Körperliche Aspekte

9. Lindera

Video vom Gang aufnehmen, psychosozialen Test ausfüllen, Analyse erhalten – fertig. Einfach für den Anwender – Künstliche Intelligenz im Hintergrund. Die Lindera Mobilitätsanalyse ist ein zertifiziertes Medizinprodukt.

Lindera hat sich zur Vorzeige-Applikation entwickelt. Sie wird nach eigenen Angaben ab Frühjahr 2022 als DiGA über den Arzt verschrieben.

Aus unserer Sicht ist sie aber auch als Digitale Pflegeanwendung DiPA im Zusammenwirken mit hierfür geschulten SPA eine perfekte DiPA. Die Grenzen sind hier schwimmend. Vermutlich werden die Kassen sich über eine Aufteilung der Kosten für solche hybriden Anwendungsszenarien einigen müssen.

Mehr zum aktuellen Angebot hier: https://www.lindera.de/

10. Neolexon Aphasie

DiGA oder DiPA? Auch bei diesem Beispiel müssen Lösungen im Interesse der betroffenen Schlaganfallpatienten gefunden werden.

Das neolexon Therapiesystem ermöglicht dem Patienten ein selbstständiges und unbegrenztes Üben am Tablet oder Computer. Die Übungsinhalte werden individuell durch den Logopäden zusammengestellt und so optimal an die Ausprägung und den Schweregrad der Sprachstörung sowie an die persönlichen Interessen des Patienten angepasst.

In vielen Familien wird aufgrund der eingeschränkten Selbstständigkeit die Begleitung durch Sorgende und Pflegende Angehörige notwendig sein.

Mehr zum aktuellen Angebot hier: https://neolexon.de/patienten/aphasie-app/

 

Kategorie 4: Kognitive Themen

11. memore

Die memoreBox ist eine einfach zu bedienende Spielekonsole für ältere Menschen, um spielend körperlich und geistig fit zu bleiben. Die therapeutischen Videospiele können Sie mit leichten Körperbewegungen steuern. Egal, ob im Sitzen oder Stehen.
memore wurde von erfahrenen Experten aus Wissenschaft, pflegerischer Praxis und Spieleentwicklung konzipiert, um den Pflegealltag zu bereichern.

Bisher wird die memoreBox nur in stationären Einrichtungen verwendet. Eine Lösung für die private Häuslichkeit ist für das zweite Halbjahr 2021. Auch bei dieser potenziellen DiPA muss überlegt werden, ob Hardware-Komponenten in ein Abo-Modell eingepreist werden kann/darf.

Mehr zum aktuellen Angebot hier: https://www.retrobrain.de/memore/#memorebox

12. Memorado

Noch ein Zitat aus dem Kabinettsbeschluss:

„Digitale Pflegeanwendungen können in der Häuslichkeit die Pflege sowie die pflegerische Betreuung durch professionelle Pflege- und Betreuungskräfte oder pflegende Angehörige unterstützen und damit dem Vorrang der häuslichen Pflege nach § 4 Rechnung tragen. Es ist zudem davon auszugehen, dass die Pflegebedürftigen im Rahmen ihrer Eigenverantwortung nach § 6 künftig auch browserbasierte Anwendungen mit pflegerischem Nutzen oder Pflege-Apps verstärkt nutzen wollen. Es wird daher ein neuer Anspruch der Pflegebedürftigen auf Versorgung mit digitalen Pflegeanwendungen in der Häuslichkeit geschaffen, der durch die Pflegeversicherung finanziert wird.“

Für alle, die mit dem erwähnten Paragraphen nicht so vertraut sind:

„§ 6 SGB XI Eigenverantwortung
(1) Die Versicherten sollen durch gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an Vorsorgemaßnahmen und durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation dazu beitragen, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.
(2) Nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit haben die Pflegebedürftigen an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und der aktivierenden Pflege mitzuwirken, um die Pflegebedürftigkeit zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhindern.

Wir dürfen von daher wohl davon ausgehen, dass auch Apps zur Stärkung der kognitiven Fähigkeiten wie memorado zukünftige DiPA-Kandidaten sein werden. Prävention bekommt auch bei der digitalen Unterstützung einen hohen Stellenwert.

Die meisten DiPA-Angebote werden vermutlich als Lösungen konzeptioniert sein, die eine dauerhafte Verwendung ermöglichen und dementsprechend in einem Abonnement den Familien zur Verfügung gestellt.
Hier, aber auch bei Anwendungen mit einmaligen oder befristetem Nutzen, möchte der Gesetzgeber sicherstellen, dass den Familien Unterstützung zur Verfügung steht.

Sicherstellung des (dauerhaften) Nutzens

Im neuen Paragrafen §39a SGB XI wird deshalb folgende Option angeboten: „Ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen“.

Der gesamte Wortlaut des Einschubes im Paragrafen für die Kombinationspflege lautet:

„Pflegebedürftige haben bei der Nutzung digitaler Pflegeanwendungen im Sinne des § 40a Anspruch auf ergänzende Unterstützungsleistungen, deren Erforderlichkeit das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 78a Absatz 5 Satz 6 festgestellt hat, durch nach diesem Buch zugelassene ambulante Pflegeeinrichtungen. Der Anspruch setzt voraus, dass die ergänzende Unterstützungsleistung für die Nutzung der digitalen Pflegeanwendung im Einzelfall erforderlich ist.“

Für diese sinnvollen Unterstützungsleistungen waren im Referentenentwurf monatlich noch 60 Euro vorgesehen. Zuzüglich der geplanten 60 Euro für die DiPA selbst sollten also 120 Euro als Leistungsanspruch im SGB XI verankert werden.
Das eigenständige Budget wurde jedoch dem Rotstift zum Opfer gebracht und nun sollen sowohl für die DiPA-Software und für die mögliche „ergänzende Unterstützung“ insgesamt nur 50 Euro monatlich investiert werden.

BMG-Prognose zur Nutzung der DiPA

Für ihre Aufwandsprognose geht das Bundesgesundheitsministerium davon aus, dass nach einer „Aufwuchsphase“ von vier Jahren ca. 10 % aller ambulant versorgten Pflegebedürftigen digitale Pflegeanwendungen in Anspruch nehmen.

Von 2022 bis 2025 ergeben sich daher folgende Größenordnungen:

2022

2023

2024

2025

BMG-Prognose zu den DiPA Investitionskosten für die Pflegeversicherung

Für die beiden Leistungskomponenten sollen ab 1.1.2022 zusammengenommen 50 Euro monatlich zur Verfügung stehen. Bei seiner Kosteneinschätzung geht das BMG davon aus, dass von dieser Summe lediglich 30 Euro monatlich im Durchschnitt von den DiPA-Haushalten in Anspruch genommen werden.

Von 2022 bis 2025 ergeben sich daher folgende Budgetpositionen in Mio. Euro für die Pflegekassen:

2022

2023

2024

2025

Gesetzlicher Fahrplan der DiPA

Die Meilensteine bei der Entwicklung des Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) wurden vom AOK Bundesverband aufbereitet. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Blogbeitrags Ende Februar standen die ersten Beratungsrunden noch aus. Grob ist geplant, dass das Gesetz Mitte des Jahres in Krafttreten soll und das BMG dann im dritten Quartal die Rahmenbedingungeen für die weitere Ausgestaltung erstellt.
Die Prüf- und Genehmigungsdauer für die DiPA soll nicht länger als drei Monate dauern. Danach dürften die Familien ab spätestens April 2022 mit den ersten Digitalen Pflegeanwendungen ihre Pflegesituation erleichtern und verbessern.

Referentenentwurf: 15. November 2020 ✔︎
Fachanhörung: 10. Dezember 2020 ✔︎
Verabschiedung Kabinettsentwurf: 20. Januar 2021 ✔︎
1. Durchgang Bundesrat: 5. März 2021
1. Lesung Bundestag: N.N.
Anhörung im Bundestag: N.N.
2./3. Lesung Bundestag: N.N.
2. Durchgang Bundesrat: N.N.
Inkrafttreten: N.N.

Eine erste Stellungnahme zum Kabinettsbeschluss wurde vom SVDGV (Positionspapier des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung e.V.) erstellt und kann hier abgerufen werden.

Quellen und Zitate:
Referentenentwurf von 15.11.2020

Kabinettsvorlage Sitzung 20. 01.2021

*1 und 2 Begründung zum § 40a Seite 161 und *3 Begründung 1. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelung Seite 87 in: Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege
*4 Presseinformation von Jens Spahn vom 20. Januar 2021: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/guv-19-lp/dvpmg.html

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