Bessere Datenqualität 2019

Dez 24, 2018 | Statistik, Infografik, Pflegepolitik, Pflegereform, Pflegeversicherung | 0 Kommentare

Offener Brief an den Präsidenten des Statistischen Bundesamts mit zwei Weihnachtswünschen der Pflegenden Angehörigen.

Statistisches Bundesamt
Präsident
Herr Dr. Georg Thiel
Gustav-Stresemann-Ring 11

D-65189 Wiesbaden

 

Amberg, Bremen am 24.12.2018

Offener Weihnachtswünsche-Brief

 

Sehr geehrter Herr Dr. Georg Thiel,

heute in zwei Jahren, im Dezember 2020, werden Sie vermutlich die neuesten Erkenntnisse über die Pflegesituation in Deutschland veröffentlicht haben. Die Politiker/innen können diese Daten dann noch zur Justierung ihrer Wahlprogramme für die Bundestagswahl 2021 nutzen, wenn sie sich bei den dann über 8 Mio. Familienmitgliedern, die von einer Pflegesituation direkt betroffen sind, als Problemlösungsanbieter positionieren möchten.

Damit die Parteien dieses umsetzen können, müssen sie aber wissen, für wen sie ihre Aussagen treffen. Und dabei können Sie und das Statistische Bundesamt helfen, wenn Sie zukünftig auch detaillierte Informationen über den größten Pflegedienst des Landes liefern könnten.

Unsere beiden Weihnachtswünsche an Ihr Amt:

„Wer nicht mit am Tisch sitzt, wird schnell Teil der Speisekarte.“, so hat es einmal treffend der Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege Herr Westerfellhaus formuliert. Auf unsere Situation übertragen bedeutet dies – wir als Pflegende Angehörige sind als eigenständiger Leistungsanbieter neben den Ambulanten Diensten und Pflegeheimen schlichtweg in Ihrer Statistik nicht existent.

Als theoretische Ableitung aus dem Umstand der ausschließlichen Pflegegeldempfänger wird im gesamten Zahlenwerk eine einzige Zahl extrahiert. Wir haben die Situation und Verhältnisse mit der beiliegenden Infografik visualisiert.

Ihre Statistiken sind für die verantwortlichen Gesundheitsminister/innen und Senatorinnen und Senatoren in den Ländern oft die einzige Planungsgrundlage, um Verbesserung in der Pflegeversorgung zu treffen. Auf der Ebene der Bundesländer sind keine vergleichbaren Daten verfügbar.

Aber wenn das Statistische Bundesamt diese Daten nicht zur Verfügung stellt, können für die bundesweit ca. 4,1 Mio. Pflegenden Angehörigen keine evidenzbasierten Gesetzesentscheidungen auf Länderebene getroffen werden.

Unser Weihnachtswunsch Nr. 1 lautet daher:

Bitte ermöglichen Sie die Erhebung und Ausweisung folgender Informationen über die Situation der Pflegenden Angehörigen für alle Bundesländer:

  • Anzahl gesamt, nach Geschlecht und Altersgruppen
  • Funktion im Pflegemix (Hauptpflegeperson, weitere Personen zur Unterstützung)
  • Anzahl zu pflegender Angehöriger nach Pflegegraden
  • Wöchentlicher Zeitaufwand gesamt und nach Tätigkeiten (körperbezogene Pflege, Betreuung, Haushaltsführung, Administration und Organisation)
  • Wöchentliche zeitliche Unterstützung durch Ambulante Pflegedienste (körperbezogene Pflege, Betreuung, Haushaltsführung, Administration und Organisation)
  • Belastungssituation (5 Stufen)
  • Erhalt von Pflegegeld inkl. Höhe der Aufwandsentschädigung
  • Nutzung von Entlastungsleistungen

Der demographische Wandel betrifft die häusliche Pflegesituation vierfach:

  1. Zunahme der Anzahl Pflegebedürftiger
  2. Abnahme der Anzahl Pflegender Angehöriger
  3. Abnahme von Kapazitäten in der formellen Pflege
  4. Abnahme von Kapazitäten in den Pflegeheimen

Wir prognostizieren eine Versorgungslücke von über 1. Mio. betroffene Familien in 2035.

Die Welle der geburtenstarken Jahrgänge bewegt sich raus aus der Zone der Pflegenden Angehörigen rein in den Kreis der zu Pflegenden.

Das Statistische Bundesamt verfügt über umfangreiche Daten zum demographischen Wandel. Um den Bundesländern nicht nur den Blick in die zweijährige Vergangenheit zu ermöglichen sondern auch nach vorne zu schauen, wäre eine zweijährig vorausschauende, kompetente Prognosehilfe aus Ihrem Haus für viele Entscheider in den Kommunen und Ländern extrem nützlich.

Wie schwierig es ist die Entwicklungen abzuschätzen, erfahren die betroffenen Familien derzeit tagtäglich bei der Suche nach Anbietern von Unterstützungsleistungen.

Das Beispiel Baden-Württemberg macht die Situation deutlich. Hier wurde der tatsächlich zu erwartende Bedarf an notwendiger Unterstützungsleistung anhand von Prognosedaten geplant, die vermutlich um 40 % zu niedrig sein werden.

Unser Weihnachtswunsch Nr. 2 lautet daher:

Stellen Sie bitte fortlaufend Prognosedaten für die Entwicklung der Pflegebedürftigen und Pflegenden Angehörigen zur Verfügung, die die gravierenden demographischen Veränderungen der kommenden Dekade berücksichtigen.

 

Wir können erahnen, dass für diese zusätzlichen Leistungen einige Mehraufwendungen in Ihrem Haushalt notwendig sind. Damit für die betroffenen Familien aber auch zukünftig der Artikel 1 unseres Grundgesetzes gelten kann, sollten diese Mittel sinnvoll investiert sein.

Um Ihnen eine möglichst breite Unterstützung bei unserer Wunscherfüllung zu geben, haben wir diesen „Weihnachtswunsch-Brief“ als öffentliches Schreiben an Sie sowie Herrn Gesundheitsminister Spahn und seinen 16 Kolleginnen und Kollegen in den Bundesländern (jeweils in Kopie) geschickt.

Jetzt möchten wir Ihnen ein schönes Weihnachtsfest wünschen und freuen uns, von Ihnen vielleicht im kommenden Jahr zu hören, ob Sie unsere beiden Wünsche erfüllen können.

 

Kornelia Schmid                             Hendrik Dohmeyer

Pflegende Angehörige e.V.            Pflege-Dschungel.de

 

Anlage:

Interner Verteiler:

Abteilung H: Frau Dr. Ruth Brand
Gesundheit, Soziales, Bildung, Private Haushalte

Gruppe H 1Gesundheit, Soziales
Leiter(in): LRD’n Frau Karin Böhm / LRD Herr Dr. Bernd Becker

Externer Verteiler:
– Herr Gesundheitsminister Jens Spahn
– Herr Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege

Verteiler Landesministerien:

  • Herr Minister Manne Lucha – Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg
  • Frau Melanie Huml MdL – Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege
  • Frau Senatorin Dilek Kolat – Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Berlin
  • Frau Susanna Karawanskij MdL – Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Brandenburg
  • Frau Anja Stahmann – Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport Bremen
  • Frau Cornelia Prüfer-Storcks – Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz, Hamburg
  • Herr Stefan Grüttner MdL – Hessisches Ministerium für Soziales und Integration
  • Frau Stefanie Drese MdL – Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung, Mecklenburg- Vorpommern
  • Frau Carola Reimann MdL – Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Niedersachsen
  • Herr Karl-Josef Laumann MdL – Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, NRW
  • Frau Sabine Bätzing-Lichtenthäler MdL – Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, Rheinland Pfalz
  • Frau Monika Bachmann MdL – Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Saarland
  • Frau Barbara Klepsch MdL – Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, Sachsen
  • Frau Petra Grimm-Benne MdL – Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration, Sachsen-Anhalt
  • Herr Dr. Heiner Garg MdL – Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Schleswig-Holstein
  • Frau Heike Werner MdL – Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Thüringen

 

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Seit über 15 Jahren bin ich Sorgender und Pflegender Angehöriger (SPA).
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