Moin!
Vergangenen Freitag veröffentlichte das BMG die Einnahme- und Ausgaben-Statistik der sozialen Pflegeversicherung für 2023.
Mit der Sankey-Diagramm-Infografik werden im ersten Schritt die Quellen der Einnahmen der Sozialversicherung transparent gemacht. Im zweiten Schritt sind die Hauptsäulen ambulante und stationäre Versorgung geclustert und um sonstige Kosten und dem ausgewiesenen Liquiditätsüberschuss ergänzt. In der dritten Säule sind dann alle einzelnen Ausgaben-Positionen dokumentiert.
Bei der Betrachtung der separaten Grafik links oben zu den gesamten Leistungs-Ausgaben im Jahr 2022 und 2023 ist anzumerken, dass hier die ansonsten vom GKV mit ausgewiesenen sonstigen Leistungen ausgeklammert sind. Würde diese Position berücksichtigt, läge die Steigerung der Gesamtausgaben nur bei 1,2 %. Rechnet man jedoch den Sondereffekt, der durch die Corona-Kosten aufgeblähten Position von 5,55 Milliarden € im Jahr 2022 heraus, zeigt sich doch eine deutliche Steigerung der Leistungs-Ausgaben in Höhe von + 9,0 %.
Mit einem Plus von 3,22 Milliarden € gegenüber dem Vorjahr wurden die Investitionen in die ambulante Pflege leicht überproportional mit 10 % gesteigert. Im Bereich der häuslichen Pflege wurden die Entlastungsleistungen erfreulicherweise gegenüber dem Vorjahr proportional stärker in Anspruch genommen. So lagen die Ausgabensteigerungen für die Verhinderungspflege und Tagespflege mit jeweils über 20 % deutlich vorn. Überproportional stiegen auch die Ausgaben für die Kurzzeitpflege mit 14,9 %.
Die Ausgaben für die stationäre Versorgung stiegen insgesamt um 1,34 Mrd. € auf 19,75 Mrd. € Gesamtausgaben, was einem Prozentsatz von +7,3 % entspricht.
Alle Einzelpositionen und Analyse der jeweiligen Ausgaben. Steigerung finden Sie am Ende des Artikels in tabellarischer Form aufgelistet.
Relativierung der Ausgabenentwicklung für Ambulant und Stationär.
Die überproportional hohe Steigerung der Ausgaben im Bereich der ambulanten Pflege gegenüber der leicht unterproportionalen Steigerung bei der stationären Versorgung täuscht über die tatsächliche Situation hinweg.
Diese Ausgaben müssen nämlich ins Verhältnis des Wachstums der damit zu versorgenden pflegebedürftigen Menschen gesetzt werden.
Und dann zeigt sich ein ganz anderes Bild. Im Durchschnitt stiegen die Pro-Kopf-Ausgaben je Pflegebedürftigen bei der ambulanten Pflege um nur 96 €. Im Gegensatz hierzu wurden die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung je stationär versorgten Heimbewohner um 1.573 € gesteigert. Dies lag primär an der notwendigen finanziellen Unterstützung durch entsprechende neue Leistungszuschüsse an die Betroffenen und ihre Angehörige.
Die nachfolgende Grafik veranschaulicht, das relativiert Bild.
2030:
7,8 Mio. Pflegebedürftige?
100 Mrd. Euro Pflegekosten?
5–6 % Beitragssatz?
Wohin geht die Reise?
Durch die vielleicht ungewollt provokanten Äußerungen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach in der vergangenen Woche wurde das Thema des drohenden finanziellen Kollapses der sozialen Pflegeversicherung bundesweit in die Öffentlichkeit getrieben.
Noch schlummern die 1,7 Milliarden € Liquiditätsreserven durch den Überschuss im vergangenen Jahr zur Finanzierung der Kosten 2024 in den Büchern. Ob das reichen wird, wissen zurzeit nur die GKV-Experten und Expertinnen. Bei einer Fortschreibung der Wachstumsdynamik der Pflegebedürftigkeit analog zum Vorjahr kann das aber rasch sehr eng werden.
Der Pflege-Dschungel hat deshalb eine grobe Projektion der möglichen Entwicklung ausgearbeitet. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Wachstum an Pflegebedürftigen von 7,4 % im vorigen Jahr tatsächlich etwas höher lag, als viele Experten erwartet hatten. Deshalb wird in diesem und in den Folgejahren bis 2030 lediglich mit einem Wachstum von 6 % kalkuliert.
Auf der Ausgabenseite wird pauschal mit einer Pro-Kopf-Investition je Pflegebedürftigen von 11.500 € gerechnet, was annähernd dem jährlichen Durchschnitt seit 2017 entspricht. Dies berücksichtigt dann keinerlei Preissteigerung oder zusätzliche Ausgeben für dringend notwendige Reformverbesserungen.
Fazit
Wenn wir versuchen, mit den errechneten Daten ein klein wenig qualifizierter in die Glaskugel zu schauen, sehen wir einen dringenden Handlungsbedarf für die Politik der jetzigen und der nächsten Bundesregierung. Ohne die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierung der Pflege in Deutschland wird es zu einer baldigen erneuten Erhöhung der Beitragssätze kommen müssen.
Wenn der nächsten Bundesregierung ab 2025 nicht ein sofort zu korrigierende Erblast übergeben werden soll, wird dieser Anstieg vermutlich bei mehr als 0,1 % Punkte liegen müssen.
Langfristig sind Strategien und Konzepte zu entwickeln, die vermutlich ein Budget von über 100 Milliarden € für eine würdevolle Pflege in Deutschland zur Verfügung stellen.
Mit dieser gewaltigen Herausforderung wird das Thema „Pflege“ ein sicherlich sehr bedeutenden Stellenwert im Wahlkampf der Parteien bekommen.
Kalkulationsbasis für Projektion der zu erwartenden Kosten und Beitragssätze für die SPV bis 2030
1. Bei Annahme, dass das 2023 Wachstum tatsächlich über den Erwartungen lag, wird das zukünftige Wachstum bei pauschal 6 % angenommen. 2. Die Ausgaben je pflegebedürftigen Menschen sind pauschal bei 11.550 € gedeckelt und stellen damit eine absolute Untergrenze dar. Preissteigerungen und dringend notwendige Reformkonzepte wie SEA etc. sind nicht berücksichtigt. Quelle: Eigene Berechnungen und Daten des Bundesministeriums für Gesundheit.
Einnahmen und Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung 2022 und 2023 in Mrd. €
1.- Zur Eliminierung des Corona-Effektes 2022 beide Jahre ohne sonstige Leistungen (rosa). 2. Abweichungen in den Summen durch Rundungen möglich. Quelle: Bundesministerium für Gesundheit
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