Nachbarschaftshilfe in Baden-Württemberg: Neue Verordnung schafft erweiterte Möglichkeiten
Im Dezember 2024 wurde die Unterstützungsangebote-Verordnung (UstA-VO) in Baden-Württemberg überarbeitet, um den steigenden Anforderungen in der ambulanten Pflege besser gerecht zu werden. Mit der Verordnung und den begleitenden Informationen des Ministeriums konnte ich jedoch keine Hinweise darauf finden, ob die Aufstockung des Entlastungsbetrags durch die Umwandlung des Sachleistungsanspruchs zur Nutzung der Verhinderungspflege möglich ist.
Um hier Klarheit zu schaffen, habe ich eine Anfrage an das zuständige Ministerium gestellt und daraufhin eine ausführliche Antwort erhalten. Diese Klärung war wichtig, da beispielsweise im Bundesland Nordrhein-Westfalen eine solche Umwandlung nicht erlaubt ist, wodurch Pflegebedürftige und ihre Familien benachteiligt werden. Mit der Möglichkeit zur Umwandlung wird Familien in Baden-Württemberg eine bedeutend besser Entlastung ermöglicht.
Umwandlung der Sachleistung ist in BaWü möglich:
Maximale Budgtes für die Nachbarschaftshilfe in BaWü:
Sie können monatlich bis zu maximal 40 % ihrer Sachleistung umwandeln. Um diesen Prozentsatz wird dann Ihr Pflegegeld gekürzt. In der letzten Spalte sehen Sie den tatsächlichen Nettobetrag, der Ihnen zusätzlich zur Finanzierung der Nachbarschaftshilfe monatlich zur Verfügung steht. Beim Pflegegrad 5 hätten Sie beispielsweise monatlich 655 €, oder jährlich 7.855 € zur Finazierung ihrer Nachbarschaftshilfe zur Verfügung.
Neue „Anerkennungsfiktion“ macht es einfacher
Ein bedeutender Fortschritt der überarbeiteten UstA-VO ist die Einführung der sogenannten Anerkennungsfiktion. Dieses vereinfachte Verfahren erlaubt es, dass neben den bereits bestehenden anerkannten Unterstützungsangeboten nun auch Einzelbetreuungen durch ehrenamtlich engagierte Personen möglich sind. Zuvor waren solche Angebote meist an Trägerstrukturen oder professionelle Dienste gebunden.
Um den Zugang zu den Leistungen zu erleichtern, wurde die Anerkennung ehrenamtlicher Einzelhelferinnen und Einzelhelfer durch die sogenannte Anerkennungsfiktion vereinfacht.
- keine Schulungskurse notwendig (aber empfohlen)
- kein polizeiliches Führungszeugnis
- kein Ersthilfekurs
Dieses bewusst schlanke Verfahren reduziert den Aufwand für alle Beteiligten und ermöglicht eine flexiblere, schnellere Nutzung der Unterstützungsleistungen. Pflegebedürftige können so den Entlastungsbetrag der Pflegeversicherung leichter für Einzelhelferinnen und -helfer einsetzen.
Voraussetzungen für ehrenamtliche Einzelhelferinnen und -helfer
Um als ehrenamtliche Einzelhelferin oder Einzelhelfer tätig zu werden, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein:
- Mindestalter: Volljährigkeit oder mit Einwilligung der Sorgeberechtigten mindestens 16 Jahre.
- Verwandtschaftsgrad: Keine Verwandtschaft oder Verschwägerung bis zum zweiten Grad mit der pflegebedürftigen Person.
- Pflegeperson: Keine bestehende Pflegeperson im Sinne des § 19 SGB XI für die zu unterstützende Person.
- Wohnsituation: Kein gemeinsamer Haushalt mit der pflegebedürftigen Person.
- Betreuungsumfang: Unterstützung von maximal zwei Personen.
- Aufwandsentschädigung: Maximal 3.000 € pro Kalenderjahr.
Leistungen der Nachbarschaftshilfe
Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer bieten vielfältige Unterstützungsleistungen an, darunter:
- Begleitung zu Arztbesuchen
- Einkaufshilfen
- Unterstützung bei der Haushaltsführung
- Gestaltung der Freizeit
- Förderung und Aufrechterhaltung sozialer Kontakte
Diese Tätigkeiten tragen wesentlich dazu bei, die Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen zu verbessern und ihre soziale Teilhabe zu fördern.
Finanzierung über den Entlastungsbetrag
Pflegebedürftige Personen mit einem Pflegegrad von 1 bis 5 haben Anspruch auf einen monatlichen Entlastungsbetrag in Höhe von 131 €. Nicht genutzte Beträge können angespart und bis zum 30. Juni des Folgejahres verwendet werden, andernfalls verfallen sie.
Zusätzlich besteht die Möglichkeit, wie eingangs aufgezeigt, bis zu 40 % des Sachleistungsanspruchs in zusätzliche Entlastungsleistungen umzuwandeln. Diese Option erweitert den finanziellen Spielraum erheblich, was für viele Familien eine erhebliche Entlastung bedeutet.
Fazit
Die Anpassung der Unterstützungsangebote-Verordnung in Baden-Württemberg stellt einen wichtigen Schritt dar, um den steigenden Bedarf an alltagsunterstützenden Hilfen flexibel und praxisnah zu decken.
Die Möglichkeit, den Entlastungsbetrag durch die Umwandlung von Sachleistungen aufzustocken, schafft zusätzlichen finanziellen Spielraum und entlastet Pflegebedürftige sowie ihre Familien spürbar.
Die Einbindung ehrenamtlicher Einzelhelferinnen und -helfer ermöglicht es darüber hinaus, das Potenzial der Nachbarschaftshilfe besser zu nutzen und pflegebedürftigen Menschen ein selbstbestimmtes Leben in ihrer vertrauten Umgebung zu erleichtern.
Mit der neuen Anerkennungsfiktion setzt Baden-Württemberg ein positives Signal für andere Bundesländer. Hoffen wir, dass Bremen und Brandenburg sich auch endlich in diesem Jahr in die notwendige Richtung einer niedrigschwelligen, individuellen Nachbarschaftshilfe bewegen.