Moin!
Im Frühjahr 2024 veröffentlichten Antje Schwinger und Klaus Zock vom WIdO Institut der AOK den WIdOmonitor 1/2024. Im Fokus dieser aktuellen Analyse standen die Themen Eigenleistung, Belastungen und finanzielle Aufwände in der häuslichen Pflege. Bereits 2019 berichtete der Pflege-Dschungel über den ersten WIdOmonitor dieser Art und versuchte, die finanzielle Wertschöpfung hieraus abzuleiten.
Die Kernaussage des Monitors ist, dass die Einbindung der Hauptpflegeperson in die Pflege und Betreuung durchschnittlich 49 Stunden pro Woche intensiv erfolgt. Da wir bereits 2020 eine Differenzierung nach Pflegegraden dokumentiert hatten, freuten wir uns, dass wir von Klaus Zok auch für die aktuellen Daten die differenzierte Ausweisung des Pflegeaufwands bekamen.
In der nachfolgenden Tabelle sind die einzelnen Berechnungsschritte nachvollziehbar, über die wir im ersten Schritt ein gesamtes jährliches Stundenvolumen von 11.150.717.724 ermittelten.
Im zweiten Schritt haben wir dieses „Arbeitsvolumen“ mit einem fiktiven Stundenlohn von 19,26 € (lt. GKV Analyse 2024 für Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung). In der Summe ergibt sich so eine von den Sorgenden und Pflegenden Angehörigen geleisteten Wertschöpfung von 215 Mrd. €.
Kalkulationsbasis zur Ermittlung der Wertschöpfung durch SPA in der häuslichen Pflege.
1. Der WIdOmonitor 1/2024 differenziert nicht nach Haushalten mit Unterstützung durch Ambulanten Pflegedienste. Deshalb ist die These, dass je Haushalt eines Pflegebedürftigen auch eine Hauptpflegeperson die Care/Pflegeleistung als SPA erbringt. Quelle: Quelle: AOK (WIdO) den WIdOmonitor 1/2024 - „Was leisten ambulante Pflegehaushalte?“ und eigene Berechnungen (geschätzte 11,4 Mrd. € Ausgaben für Ambulante Dienste über SGB V, XI und XII bei 60 € Kosten je Stunden) sowie Sachleistungsbeträge je Pflegegrad. Wertschätzung mit 19,26 € lt. GKV Analyse 2024 für Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung.
„Holt Euch doch Hilfe“
Wenn über die Belastungssituation der Pflegenden Angehörigen gesprochen wird, kommt oft schnell der gut gemeinte Ratschlag, dass doch über das Sachleistungsbudget Gelder für die Unterstützung durch einen Ambulanten Pflegedienst zur Verfügung stehen. Das stimmt.
Ein Teil der pflegebedürftigen Menschen nutzt diese Hilfe von Pflegefachpersonen auch. Anhand der verfügbaren Sachleistungsbudgets nach Pflegegraden und einem durchschnittlichen Stundensatz von 60 € zeigt die nachfolgende Grafik, die mögliche einzukaufende Unterstützung und den dann noch verbleibende Rest an Pflege- und Betreuungsleistung, die weiterhin von den Angehörigen erbracht werden muss. Aufgrund der Leistungssystematik, dass immer nur insgesamt 100 % an Pflegegeld oder Sachleistung zur Verfügung steht, haben die PA ihre Arbeit dann komplett ohne jegliche finanzielle Anerkennung zu erbringen.
Lesebeispiel für PG 3: Mit einer Sachleistung von 1.432 € können bei einem Stundenlohn von 60 € bis zu ca. 24 Stunden an formeller Pflegeunterstützung eingekauft werden. In der Woche werden die Pflegenden Angehörigen dann ca. 6 Stunden unterstützt und entlastet. In der Konsequenz bleibt dann vom Pflegegeldanspruch des Versicherten nur noch 0 % übrig und die verbleibenden 47 Stunden müssen komplett unentgeltlich erbracht werden.
Finanzielle Wertschätzung der Wertschöpfung
Zur Ermittlung der finanziellen Wertschätzung der Wertschöpfung durch die Pflegenden Angehörigen betrachten wir die finanziellen Eckwerte. Im Jahr 2023 zahlten die Pflegekassen circa 16,2 Milliarden € als Pflegegeld an die pflegebedürftigen Versicherten aus. Als Erkenntnis diverser Studien wird circa die Hälfte hiervon für andere Ausgaben bei der Finanzierung der häuslichen Pflegesituation verwendet und nicht als Anerkennung für die ehrenamtliche Tätigkeit der Pflegenden Angehörigen verwendet.
Verrechnet man die ermittelten 11,15 Milliarden Leistungsstunden mit denen um 50 % reduzierten Pflegegeld in Höhe von 8,1 Milliarden €, ergibt sich ein durchschnittlicher Stundenlohn von 0,73 €.
Mit den 8,1 Milliarden € werden dann circa 3,8 % der Wertschöpfung tatsächlich finanziell wertgeschätzt und 96,2 % wird als subsidiärer (ehrenamtlicher) Beitrag von der Gesellschaft verbucht.
Wann kommt endlich das GERECHTE Entlastungsbudget?
Anhand der aktuellen Daten der AOK muss wiederholt auf das realitätsfremde System zur Entlastung der Pflegenden Angehörigen im System des SGB XI hingewiesen werden.
Vergleichen wir die wöchentliche Arbeitszeit der Hauptpflegeperson nach Pflegegraden mit den für das kommende Jahr 2025 verabschiedeten Entlastungsbeträgen, wird die Ungerechtigkeit sofort transparent.
Ohne die extrem unterschiedliche Belastung der Pflegesituation zu berücksichtigen, werden an alle Versicherten mit der Gießkanne die gleichen Beträge für das neue Gemeinsamen Jahresbudget (295 € durchschnittlich pro Monat) und dem Entlastungsbetrag von 131 € ausgeschüttet.
Beim Pflegegrad 2 stehen damit monatlich fast einviertel mehr Budget als das Pflegegeld zur Verfügung. Beim hochbelasteten Pflegegrad 5 sind das weniger als die Hälfte.
Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.
Mit nur wenig Aufwand und der einfachen Bauernregel: „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“ könnte den Menschen so deutlich besser geholfen werden.
Als meine Mutter und mein Vater noch die Pflegestufe 1 und den Pflegegrad 2 hatten, wäre ich froh gewesen, wenn wir ein paar Euro weniger zur Verfügung gehabt hätten und das Geld für uns „angespart“ worden wäre.
Leider erleben sehr, sehr viel Menschen die Pflegegrad-Karriere und enden mit einem PG 4 oder 5. So war es bei uns auch.
Würden die Versicherten mit Pflegegrad 2 im kommende Jahr auf nur 79 € monatlich an Entlastungsleistungen verzichten, um ihren Angehörigen eine Auszeit und Erholung zu ermöglichen, stünde ihnen hierfür perspektivisch bei einem Pflegegrad 5 monatlich 563 € monatlich mehr Budget hierfür zur Verfügung.
Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, das hätte bei uns am Anfang nicht wehgetan und wäre später ein Segen gewesen.
Die tendenziell kostenneutrale Umverteilung basiert auf dem Umstand, dass den mit über 2 Mio. Pflegebedürftigen beim PG 2 eine deutlich kleinere Anzahl (beim PG 5 nur noch 123.000) Versicherungsnehmer gegenüberstehen.
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