Mit dem Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (BEEP)* vollzieht das Bundesgesundheitsministerium einen wichtigen Schritt, der längst überfällig war. Denn obwohl digitale Pflegeanwendungen – kurz DiPA – bereits seit über drei Jahren offiziell im Leistungskatalog der Pflegeversicherung (§ 40a SGB XI) verankert sind, blieb die praktische Nutzung bislang bei Null.
Der Grund:
Bis heute ist kein einziger Antrag eines Herstellers beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingegangen. Ohne zugelassene Anwendungen konnte es logischerweise auch kein Angebot im Verzeichnis digitaler Pflegeanwendungen geben .
*Das Gesetz wird voraussichtlich Mitte Dezember final verabschiedet und ist ab 1.1.2026 gültig.
Warum das so war
Die bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen waren schlicht zu aufwendig:
- Hersteller mussten umfangreiche Nachweise zu Sicherheit, Datenschutz und pflegerischem Nutzen vorab vollständig erbringen, bevor überhaupt ein Antrag gestellt werden konnte.
- Gleichzeitig war der Marktzugang mit hohen bürokratischen Hürden verbunden – Vergütungsverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband durften erst nach Aufnahme in das DiPA-Verzeichnis beginnen.
- Diese Doppelbelastung hat den Markteintritt faktisch blockiert.
Jetzt kommt die Wende: Die wesentlichen Änderungen im Überblick
Das BEEP schafft nun endlich praxisnahe Bedingungen für Innovation:
- 1. Einführung einer Erprobungsregelung (§ 78a Abs. 6a SGB XI)
Hersteller können ihre Anwendungen künftig vorläufig für bis zu 12 Monate in das DiPA-Verzeichnis aufnehmen lassen, auch wenn der pflegerische Nutzen noch nicht vollständig nachgewiesen ist. Voraussetzung ist ein wissenschaftliches Evaluationskonzept – ähnlich wie bei den digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA).
Das bedeutet: Innovation darf künftig ausprobiert werden, bevor sie im System „reif“ ist. - 2. Schnellere Preisfindung
Die Aufnahme ins Verzeichnis und die Vergütungsverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband laufen künftig parallel.
Der Anspruch auf Versorgung gilt ab dem Zeitpunkt der Vergütungsvereinbarung – das spart Monate an Wartezeit. - 3. Klarstellung des pflegerischen Nutzens
Erstmals gilt nun auch die Entlastung pflegender Angehöriger ausdrücklich als pflegerischer Nutzen.
Damit werden digitale Lösungen, die Angehörige unterstützen, rechtlich gleichgestellt mit solchen, die die Selbstständigkeit Pflegebedürftiger fördern. - 4. Anpassung der Finanzierung (§ 40b SGB XI)
Das Leistungsbudget wird aufgeteilt:
• bis zu 40 € monatlich für die digitale Pflegeanwendung,
• bis zu 30 € monatlich für ergänzende Unterstützungsleistungen durch ambulante Dienste.
Gesamtbudget: 70 € pro Monat – eine leichte Aufstockung, aber mit klarer Aufgabenverteilung.
Wichtig: Die ergänzenden Leistungen können weiterhin ausschließlich durch zugelassene ambulante Pflegeeinrichtungen erbracht werden – nicht durch die Hersteller selbst.
Neue Chancen: Prävention in der häuslichen Pflege (§ 5 Abs. 1a SGB XI)
Parallel zu den Änderungen bei den DiPA öffnet das BEEP erstmals den Weg für aktive Präventionsmaßnahmen in der häuslichen Pflege. Damit wird eine Tür aufgestoßen, durch die digitale Pflegeanwendungen als ideale Präventionsbegleiter treten könnten:
- Sie können Bewegungs-, Ernährungs- oder Aktivierungskonzepte niedrigschwellig in den Alltag integrieren,
- pflegende Angehörige motivieren und anleiten,
- und präventive Empfehlungen aus Pflegeberatung oder Hausbesuch digital weiterführen.
Wenn also künftig die Prävention wirklich in der häuslichen Pflege ankommt, können DiPA die Brücke zwischen Beratung, Motivation und Alltagstraining bilden.
Unser Ausblick: Das Abenteuer DiPA beginnt
Wir beim Pflege-Dschungel sind überzeugt:
Diese neue Gesetzeslage ist der entscheidende Wendepunkt, um digitale Pflegeanwendungen endlich aus dem Dornröschenschlaf zu holen.
Vorausgesetzt, die noch ausstehenden Durchführungsrichtlinien lassen eine wirtschaftlich tragfähige Umsetzung zu, werden wir das Abenteuer einer eigenen DiPA in den kommenden Monaten angehen – als innovativer Präventionsbegleiter im Sinne des neuen § 5 Abs. 1a SGB XI.
Denn wenn digitale Lösungen und pflegerische Kompetenz zusammenfinden, kann Prävention im häuslichen Umfeld wirklich wirksam werden.
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